Sonntag, 18. Januar 2015

Nelsons Orden


Heute [17.1.2015] vor 210 Jahren sticht der französische Admiral Villeneuve mit seiner Flotte von Toulon aus in See. In Richtung Karibik, um sich dort mit der spanischen Flotte zu vereinigen. Er soll die englische Flotte von Europa weglocken, damit Napoleon seine Invasion Englands beginnen kann. Der 17. Januar 1805 ist der Beginn dessen, das die Engländer The Trafalgar Campaign nennen. Wir wissen heute, dass der schöne Plan der Franzosen nicht ganz aufging.

Als ich den Post ➱Invasion schrieb, wollte ich eigentlich noch mehr über den Admiral John Jervis und sein Protegé, den Kapitän Horatio Nelson, schreiben. Aber dann nahm der Post eine ganz andere Richtung. Und kurzentschlossen kopierte ich alles über Nelson in einen anderen Post und packte ihn in die Abteilung Entwürfe. Da liegt schon vieles, manches wird es wohl nie hierher schaffen. Aber der Nelson schon. Weil ich dabei auch dieses Bild von Heinrich Friedrich Füger, gemalt im Jahre 1800 in Wien, abbilden kann. Es ist das einzige Bild, das Nelson in Zivil zeigt. Nelson hatte bei dieser Gelegenheit auch gleich ein Bild von seiner Geliebten Lady Hamilton in Auftrag gegeben. Und ein Portrait von der Königin von Neapel, der erbittertsten Feindin Napoleons.

Und wenn Füger schon mal beim Malen ist, dann kann er von dem Portrait auch noch eine offizielle Version malen. Mit Unifom und Orden. 250 Pund hat Nelson für die Bilder auf den Tisch gelegt. Englische Offiziere sind in dieser Zeit eigentlich sehr zurückhaltend mit dem Tragen von Orden, Nelson nicht. In dem Punkt ist er ein nouveau riche. Der Spott bleibt nicht aus. General Sir John Moore (der auf dem ➱Bild von Thomas Lawrence übrigens keinen einzigen Orden trägt) bemerkte: He is covered with stars, ribbons and medals, more like the Prince of the Opera than the conqueror of the Nile. It is really melancholy to see a brave and good man, who has deserved well of his country, cutting so pitiful a figure.

Er hat manchmal so etwas unangenehm Prolliges an sich. Wenn ➱Wellington ihn zum ersten Mal trifft, geriert sich Nelson als prahlender Seekriegsheld. Er weiß nicht, wer Wellington ist, beide Herren sind in Zivil und warten auf den Minister Lord Castlereagh. Aber ich gebe das Ganze am besten mit den Worten Wellingtons wider: I went to the Colonial Office in Downing Street, and there I was shown into the little waiting-room on the right hand, where I found, also waiting to see the Secretary of State, a gentleman, whom from his likeness to his pictures and the loss of an arm, I immediately recognized as Lord Nelson. He could not know who I was, but he entered at once into conversation with me, if I can call it conversation, for it was almost all on his side, and all about himself, and in, really, a style so vain and silly as to surprise and almost disgust me. 

I suppose something that I happened to say may have made him guess that I was somebody, and he went out of the room for a moment, I have no doubt to ask the office-keeper who I was, for when he came back he was altogether a different man, both in manner and matter. All that I had thought a charlatan style had vanished, and he talked of the state of this country and the aspect and probabilities of affairs on the Continent with a good sense, and a knowledge of subjects both at home and abroad, that surprised me equally and more agreeably than the first part of our interview had done; in fact, he talked like an officer and a statesman. The Secretary of State kept us long waiting, and certainly, for the last half or three-quarters of an hour, I don’t know that I ever had a conversation that interested me more. Now, if the Secretary of State had been punctual, and admitted Lord Nelson in the first quarter of an hour I should have had the same impression of a light and trivial character that other people have had, but luckily I saw enough to be satisfied that he was really a very superior man; but certainly a more sudden and complete metamorphosis I never saw. Natürlich hat es damals kein Bild von dem Treffen gegeben, diese Farblithographie im Besitz des National Army Museum datiert vom Jahre 1890.

Die Orden, die die Maler auf der Heldenbrust des Admirals immer etwas anders anordnen (er selbst wohl auch), sind einigermaßen erstaunlich. Da ist der Stern des Order of the Bath, auf den Orden ist Nelson sehr stolz. Er hätte nach der ➱Schlacht von St Vincent Baronet oder Baron werden können, aber er wollte diesen Orden haben. Weil der an einem schönen roten Band kommt und man eine rote Robe tragen kann. Und dann gibt es da noch einen anderen Grund. Die Aufschrift Tria Juncta in Uno besagt ja eigentlich, dass England, Schottland und Wales eins sind, aber man kann sie auch auf Nelson, Emma und Sir William Hamilton beziehen. Sir W, he and I have but one heart in three bodies, hat Emma über diese Verbindung gesagt.

Die anderen ➱Orden, die Nelson trägt, sind außergewöhnlich. Einer ist vom König von Neapel, der Nelson auch zum Herzog von Bronte macht. Das Herzogtum ist sehr klein und ständig in Gefahr, von der Lava des Ätna zerstört zu werden, aber Nelson unterzeichnet fortan Briefe mit Nelson & Bronte. Ein funkelnder Orden kommt vom Sultan der Türkei (den trägt er manchmal auf der anderen ➱Seite der Brust), und dann ist da noch das Großkreuz des Sankt Joachims Orden aus Sachsen-Coburg. So wie hier auf dem Bild von Lemuel Abbott trägt der Admiral seine Orden nur zur full dress uniform. Zu seiner normalen Uniform trug er die Orden in verkleinerter Form als Pailetten, die auf die Uniformbrust gestickt waren. Viele Kapitäne eines Schiffes der Royal Navy kämen niemals auf diese Idee.

Viele englische Marineoffiziere bekommen in dieser Zeit ausländische Orden. Viele verdingen sich, sofern gerade kein Krieg ist, bei einer fremden Macht (wie zum Beispiel der berühmte Alexander Cochrane) und bekommen dort ihre Orden. Wie ➱Sidney Smith, der der schwedischen Marine zu einem Sieg über die Russen verhilft und dafür vom schwedischen König zum Ritter geschlagen wird (die englischen Marineoffiziere, die in russischen Diensten standen, werden ihn dafür immer hassen). Der Swedish Knight muss allerdings länger dafür kämpfen, bis George III diesen Titel anerkennt, und er sich Sir Sidney nennen darf.

Die Bilder von Nelsons Tod bei Trafalgar zeigen ihn immer (mit Ausnahme von ➱Denis Dightons The Fall of Nelson, das erst 1825 gemalt wurde) in seiner full dress uniform mit allen Orden. Er hat sie damals nicht getragen. Warum sollte er? Der Präsident der Royal Academy Benjamin West fühlte sich auch berufen, den sterbenden Nelson zu malen. Natürlich mit den Orden. West selbst hat nie einen bekommen, er hoffte auf einen höheren Titel. War nur etwas blöd von ihm, 1802 Napoleon in Paris zu besuchen und nette Dinge über ihn zu sagen. Der König strich sofort die Zuwendungen. Vier Jahre vor Nelsons Tod hatte West sich mit seinem Tischnachbarn Nelson bei einer großen Abendgesellschaft unterhalten. Der bedauerte, dass er leider überhaupt kein Verhältnis zur Kunst besäße. But there is one picture, sagt er zu West, whose power I do feel. I never pass a paint-shop where your ‘Death of Wolfe’ is in the window, without being stopped by it. Warum West denn nicht mehr solcher Bilder male?

Because, my Lord, there are no more subjects, entgegnete West. Damn it. I didn’t think of that, sagt daraufhin Nelson. Und an diesem Punkt bekommt die Unterhaltung plötzlich etwas Makabres. Nelson daran erinnernd, dass er im Kampf für sein Vaterland ja schon einen Arm und ein Auge verloren hat, sagt West: But, my Lord, I fear your intrepidity will yet furnish me with such another scene; and if it should, I shall certainly avail myself of it. Ist das jetzt der berühmte schwarze englische Humor? Nelson antwortet in einem ähnlichen Ton: Will you? Will you, Mr West? Then I hope I shall die in the next battle. Und dann gießt Lord Nelson Champagner in die Gläser und die beiden Herren stoßen auf dieses Versprechen an. Ob sich West immer an diesen Augenblick erinnert hat, als er The Death of Nelson malte?

Es gab bessere, wahrheitsgetreuere Bilder von dem Ereignis. Zum Beispiel das von ➱Arthur William Devis, das im Besitz des National Maritime Museum Greenwich ist. Da liegt Nelson im Bauch des Schiffes im Sterben, er braucht keine Orden mehr. Obgleich West sagte, das Bild sei not without merit, kritisierte er die zu realistische Darstellung: There was no other way of representing the death of a hero but by an Epic representation of it. It must exhibit the event in a way to excite awe and veneration... and… show the importance of the Hero.

Wolfe must not die like a common soldier under a bush [James Barry hatte ihn so gemalt]; neither should Nelson be represented dying in the gloomy hold of a ship, like a sick man in a prison hole. To move the mind there should be a spectacle presented to raise and warm the mind, and all should be proportioned to the highest idea conceived of the Hero. No boy... would be animated by a representation of Nelson dying like an ordinary man. His feelings must be roused and his mind inflamed by a scene great and extraordinary. A mere matter of fact will never produce this effect.

Und so präsentiert er den Helden von Trafalgar auf dem Quarterdeck der Victory, in einer öffentlichen Sterbezeremonie, wie er den Tod von General Wolfe gemalt hatte. Nur seitenverkehrt, kompositionell fällt ihm sonst nichts ein. Für das Bild von Wolfe konnte sich damals der junge ➱Georg Forster begeistern: Gegen dieses kalte Blatt [Forster meinte Wests Bild von ➱William Penn, das er aber nur als Radierung gesehen hatte] machte die herrliche Scene, Wo der General Woulfe, ein junger Brittischer Held, als Sieger vor Quebeck den Tod fürs Vaterland stirbt, den auffallendsten Contrast. Dieses Meisterwerk in seiner Art, dessen schöne Composition und rührender Ausdruck allgemein bekannt ist, kann gewissermaßen die Höhe bestimmen, die der Brittischen Schule in historischen Gemälden erreichbar ist.

West hat das Bild nicht in der Royal Academy ausgestellt, er zeigt es gegen ein Eintrittsgeld in seinem eigenen Haus, 30.000 Engländer wollen es in den nächsten Wochen sehen. Benjamin West wird dann noch ein ganz schlimmes ➱Bild malen, das The Immortality of Nelson heißt (zehn mal zwölf Meter groß). Kitschfaktor einhundert. Eine Apotheose, die mit dem Bild von Girondet (der ➱hier einen Post hat) zu vergleichen ist. Aber dann besinnt er sich eines Besseren. Und malt 1808 dieses erstaunliche, ganz kleine, beinahe intime ➱Bild The Death of Lord Nelson in the Cockpit of the Ship Victory, mit dem er seinen Gedanken der epic representation aufgibt.

Benjamin Wests Landsmann und ewiger Konkurrent John Singleton Copley hatte auch ein Bild von Nelsons Tod malen wollen. Dass er so etwas konnte, hatte er ja mit seinem Bild von der Belagerung ➱Gibraltars oder diesem Triumph von Admiral Lord Adam Duncan in der Seeschlacht von Kamperduin bewiesen. Der Admiral trägt hier übrigens einen interessanten Orden: den Alexander Newski Orden, den ➱Katherina die Große ihm verliehen hatte. Copley musste das Angebot eines Auftrags ablehnen, er hatte er sich bei einem Sturz den Arm verstaucht und konnte nicht malen.

Am Tod des Helden wollen jetzt viele verdienen. Maler, Kupferstecher, Lithographen, Schriftsteller. Der englische Tenor John Braham, der berühmteste Sänger seiner Zeit, hat riesigen Erfolg mit einem Lied, dessen patriotische Verse von Samuel James Arnold stammen. Das ➱Lied tauchte zuerst 1811 in John Brahams Oper The Americans auf:

O'er Nelson's tomb, with silent grief oppress'd,
Britannia mourn'd her hero, now at rest,
But those bright laurels ne'er shall fade with years,
Whose leaves are water'd by a nation's tears.
'Twas in Trafalgar's bay,
We saw the Frenchmen lay,
Each heart was bonnding then;
We scorn'd the foreign yoke,
Our Ships were British oak,
And hearts of oak our men.

Dass Nelsons Schiffe aus englischer Eiche waren, das stimmt nicht ganz, sie waren aus importiertem Holz. Zwar nimmt man immer noch Royal Oak als Namen von Schlachtschiffen, aber die englischen Eichenwälder hat man in Jahrhunderten vernichtet. Das ist der Tribut, den die Natur der Flotte und der englischen Seeherrschaft zollt. Lady Hamilton (hier auf einem Porträt von ➱Romney), der Ehrengast der Oper, bekam einen hysterischen Anfall und verließ ihre Loge. Nach einer anderen Darstellung besuchte sie jede Aufführung, und fiel jedes Mal in Ohnmacht. Aber da bin ich mir nicht so sicher. Das war sicher nicht die Absicht des Tenors gewesen, der Nelson und Lady Hamilton schon lange gekannt hatte.

Der Sänger war auch schon mit Lady Hamilton im privaten Kreis in Nelsons neuem Haus in Merton aufgetreten. Lord Minto erwähnt das in einem Brief an seine Frau: Braham, the celebrated Jew singer, performed with Lady H. She is horrid, but he entertained me in spite of her. John Braham, der auch gerne Rule Britannia zu singen pflegte, hat auch bei Nelsons Begräbnis gesungen.

Bei dieser Gelegenheit konnte Emma Hamilton nicht in Ohnmacht fallen, denn that Hamilton woman war zu dem Staatsakt gar nicht eingeladen worden. Da ich schon Alexander Kordas Film That Hamilton Woman mit Laurence Olivier und Vivien Leigh (die ➱hier einen Post hat) erwähnt habe: Sie können sich ihn ➱hier ansehen. Wenn Sie wissen wollen, wie Brahams Lied klang, müssen Sie ➱dies anklicken.

Vor der Schlacht von Trafalgar hatte Nelson in sein Tagebuch geschrieben: I leave Emma Lady Hamilton as Legacy to my King and Country, that they will give her an ample provision to maintain her rank in life. I also leave to the beneficence of my country my adopted daughter, Horatia Nelson Thomson; and I desire in future she will use the name of Nelson only. These are the only favours I ask of my King and Country at this moment when I am going to fight their battle. Er hatte das wieder mit Nelson & Bronte unterzeichnet. Aber der König und die Nation scheinen diese Sätze nicht gelesen zu haben. Emma wird zwar nicht wieder als Straßennutte arbeiten, wie sie einmal angefangen hatte, aber sie wird arm und krank in Calais sterben

Westminster Abbey or Glorious Victory! soll der Commodore Nelson gerufen haben, als er den Befehl zum Entern der San Josef in der Seeschlacht von St Vincent gab. Dem Admiral John Jervis sagte er vor seinem Tode: Farewell, my dear friend; probably our next meeting will be in Westminster Abbey. Er liegt aber in St Paul's begraben. Jervis nicht, der wollte lieber im Familienmausoleum in Stone in Staffordshire liegen. Nelsons schöne Orden wurden im Jahre 1895 vom Staat gekauft und in der Painted Hall in Greenwich ausgestellt. Wo sie fünf Jahre später von einem gewissen William Carter gestohlen wurden. Der kam für sieben Jahre ins Zuchthaus, die Beute blieb verschwunden. Bis auf den Order of the Bath, der vor Jahren für 500.000 £ zur Auktion stand. Es kam nicht zur Auktion, der Orden wurde außerhalb der Auktion verkauft, soll aber in England geblieben sein. Sic transit gloria mundi.

Als hübsches kleines Kuriosum hätte ich noch ein Gedicht von Robert Graves, das ➱1805 heißt. Und den ersten Post (da war ich drei Tage im Netz) zu Nelson, der den Titel ➱Eisbären hat.

Freitag, 9. Januar 2015

Invasion


Im Jahre 1801 schreibt ein gewisser John Jervis an das Board of Admiralty: I do not say, my Lords, that the French will not come. I say only they will not come by sea. Das ist nun sicher sehr witzig. Wie sollten die Franzosen denn sonst nach England kommen? Er wird recht behalten. Vom Jahr 1066 mal abgesehen, haben es die Franzosen nie geschafft, England zu erobern. Der Sitzungssaal des Board of Admiralty sieht heute übrigens immer noch so aus wie auf dem kolorierten Stich vom Anfang des 19. Jahrhunderts.

Der Satz I do not say, my Lords, that the French will not come. I say only they will not come by sea war nicht so einfach dahingesagt. Es gab in England durchaus eine berechtigte Furcht vor der Invasion. Auch wenn James Gillray das im Jahr 1796 auf die leichte Schulter nimmt, die Gefahr war da. 1798 hatte Napoleon zum ersten Mal eine Armee an der Kanalküste zusammengezogen.

Er wird Jahre später, wenn die Engländer ihn nach St Helena gebracht haben, sagen: Si au lieu de l’expédition d’Egypte, j’eusse fait celle d’Irlande; si de légers dérangements n’avaient mis obstacle à mon entreprise de Boulogne, que pourrait être l’Angleterre aujourd’hui? Que serait le continent, le monde politique? Dabei wäre es doch so leicht gewesen, Que nous soyons maitres du detroit six heures, et nous serons maitres du monde, hatte er 1804 an Admiral Latouche geschrieben. Damals hatte er eine ganze Armee mit dem schönen Namen Armée des côtes de l'Océan in Boulogne versammelt.

Aber die englische Channel Fleet, die John Jervis kommandiert, hat irgendwie etwas gegen diese Idee. Es ist noch nicht Wellington, es sind englische Admiräle, die Napoleon die empfindlichsten Niederlagen bereiten. Admiral Nelson, der ihm bei Abukir die Flotte zerstört hat, den bewundert er. Er besitzt sogar eine Büste von ihm. Nach Trafalgar hält sich die Bewunderung in Grenzen. Dass dieser Admiral Sidney Smith (hier auf dem Bild von John Eckstein) seinen Siegeszug bei Akkon aufgehalten hat, dass wird er ihm nie vergeben. Der Weg nach Indien schien doch schon so nahe.

James Gillray hat das mit der Leistung der englischen Admirale in seinem Cartoon aus dem Jahre 1803 schon richtig erkannt. Hier hält der englische König den korsischen Fuchs Napoleon in der Hand (im Hintergrund galoppiert William Pitt herbei) und wirft ihn seinen Hunden zum Fraß vor. Die Hunde haben Namen am Halsband: sie heißen ➱Horatio Nelson, Marquess Cornwallis, Sir Sidney Smith, Lord Alan Gardner und Lord St Vincent. Cornwallis ist dabei, weil er als Lord Lieutenant von Irland gerade die tausend Franzosen unter General Jean Humbert aus Irland verjagt hat.

Es sind diese schönen Fragen, die mit dem Wort wenn beginnen, und in denen das Wort hätte häufig vorkommt, die die Weltgeschichte interessant machen. Napoleon wird nach ➱Waterloo Zeit genug haben, um über diese Fragen nachzudenken. Die Sache mit der Invasion scheint immer noch nicht ganz aus den Köpfen der Engländer zu sein. Auf der Insel macht gerade ein Buch von Jenny Uglow von sich reden, das die Reaktion der Engländer auf die französische Bedrohung untersucht. Es hat den Titel In These Times: Living in Britain Through Napoleon's Wars, 1793-1815. Alle Rezensenten haben es (wie die meisten Bücher der Autorin) lobend besprochen.

Peter Stotdard, der Herausgeber des Times Literary Supplement, zitierte in seiner ➱Besprechung das lange vergessene Theaterstück A Penny for your Song von John Whiting, das Peter Brook 1951 für das Festival of Britain auf die Bühne gebracht hatte. Die Times schrieb damals: He may have fallen into go-as-you-please charade while trying for fantasy, but he has escaped pretentiousness. Mir fällt bei dieser exzentrischen upper class Familie und dem elegisch-poetischen Ton des Stücks aus irgendeinem Grund immer Tom Stoppards Arcadia (das ➱hier einen Post hat) ein.

Ich kann mich noch genau daran erinnern, dass ich das Stück (aus dem später noch eine ➱Oper wurde) 1960 gelesen habe. Es war in dem Buch Englische und irische Dramen enthalten, das in der Reihe Theatrum Mundi bei Fischer erschienen war. Da hatte es, die Bibel zitierend, den deutschen Titel Wo wir fröhlich gewesen sind. Ich war von dieser Komödie begeistert. So etwas hätte wir im Schultheater spielen sollen. Aber wir spielten Henry von Heiselers Der junge Parzival, da stand ich mit Bernd Neumann, der später Politiker wurde, auf der Bühne. Das habe ich schon in dem Post ➱Gemäldegalerie erwähnt. Das Stück war definitiv nicht so witzig und so poetisch wie A Penny for your Song, von dem ich einmal eine Inhaltsangabe gebe:

An invasion by Napoleon is expected at any time and Timothy and his brother Lamprett have made preparations for that eventuality. Lady Bellboys has joined the local women’s Amazons and appears in armour. A primitive fire-engine is at the ready. Posters proclaiming ‘Invasion!' are prepared. The members of a local defence organisation are deployed to resist the enemy. Timothy dresses as Napoleon to confuse his troops and is mistaken for Nelson.  Lamprett descends into a well in search of a secret tunnel and later appears in a balloon which descends into the garden. A blind wounded soldier accompanied by his guide, a small boy, arrives on his way to see George III to ask him to stop the war. Dorcas, Lamprett’s daughter, falls briefly in love with him. The servant, Humpage, spends the entire play in a tree with a telescope looking for the enemy. 

There is much talk of love. But Napoleon doesn’t arrive and the play ends beautifully as evening falls and the characters discuss cricket. This is a lovely play. Very funny and witty, and very, very gently reminds us of the nonsense and sadness of war and life too, and is wonderfully positive about basic Goodness and things that really matter like Cricket and What Shall We Have For Lunch? Die Franzosen sind nicht gekommen, weder durch einen Tunnel noch mit dem Luftballon. Da redet man am Ende des Tages erst einmal über ➱Cricket. Das ist doch typisch englisch.

Das Theaterstück A Penny for your Song wird leider nicht so häufig gespielt. In der Spielzeit 1954-1955 brachte es Boleslaw Barlog auf die Bühne des Schloßpark Theaters in Berlin. Mit Chariklia Baxevanos; ach, war die damals niedlich. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass sie mal zehn Jahre mit Harald Juhnke zusammengelebt hat. Die Rolle von Dorcas Bellboys, der Tochter von Sir Timothy, wurde bei der Premiere von Virginia McKenna gespielt. Ein von ihr signiertes Programmheft kostet heute bei Amazon 999 Dollar. Judi Dench hat die Rolle der Dorcas Bellboys auch einmal mit der Royal Shakespeare Company gespielt, sie liebte das Stück. Die Illustrated London News schrieb damals über diese Aufführung: Whether you like 'A Penny For A Song' or not must depend entirely upon your reaction to its special spirit of gentle madness, or what Mr. Whiting has called 'the finer lunacies of the English at war'.

John Whiting hat über sein Stück gesagt: 'A Penny for a Song', the second play to be written, the first to be produced, was finished in the summer of 1950. It was written at a time of great personal happiness, and by then it seemed natural that such a feeling should be expressed in a play. I was entirely uncritical of life as I was living it then, and the whole world seemed to be in love. War appeared the greatest absurdity. This is a small play, no more. Es ist, wenn man so will, ein Theaterstück über die Heimatfront. Das war den Zuschauern im Jahre 1951 bewusst, dass das Stück auf den Krieg anspielte. Der Krieg lag erst wenige Jahre zurück. Diesmal waren die Franzosen nicht die Bedrohung Englands gewesen, diesmal waren es die Deutschen.

Englands ➱Home Front ist immer wieder thematisiert worden, die BBC hat eine riesige Materialsammlung angelegt (klicken Sie einmal diese ➱Seite an), und wir finden das Thema natürlich auch in Romanen und Filmen. Die Invasion bleibt den Engländern erspart, Romane wie SS-GB und Fatherland bleiben Utopie. Aber auch das Fernsehen schaute begierig nach diesem Stoff, und so konnte es nicht ausbleiben, dass es eines Tages Dad's Army geben würde. Vielleicht war es der überwältigende Erfolg dieser Serie, der die BBC Jahrzehnte später bewog, eine Krimiserie mit dem Thema der Heimatfront zu verknüpfen.

Als ich den Post ➱Inspector Gently geschrieben hatte, nörgelte ein Freund, dass ich wieder einmal den Detective Chief Superintendent Foyle nicht erwähnt hätte. Das ist richtig, right würde Foyle sagen. Zwar haben hier die Inspektoren ➱Barnaby, ➱Lewis und ➱Poole schon einen Post, zwar gibt es schon einen Post namens ➱Englische Krimiserien, aber DCS Foyle kommt hier noch nicht vor. Der ermittelt nämlich während des Krieges an der Heimatfront, mit Hilfe seiner Fahrerin Sam (gespielt von Honeysuckle Weeds) und seines Sergeanten Paul Milner.

In der vierten Serie gibt es auch eine Folge, die Invasion heißt. Aber damit sind nicht die Deutschen, sondern die Amerikaner gemeint. Die mochte man damals in England nicht so sehr, overpaid, overfed, oversexed and over here, hieß es über sie. Diese Krimiserie (➱hier eine Übersicht über die Folgen) ist gleichzeitig eine Lehrstunde in englischer Geschichte. Es gibt nichts Besseres! Und irgendwann wird es hier auch einen Post zu der Serie Foyle's War. Es gibt die Serie auf DVD, allerdings nur im Originalton (keine Untertitel). Man fragt sich, weshalb die BBC das nicht zustande bringt, so etwas Gutes zu synchronisieren. Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, aus dem sie The Marriage of Figaro (lesen und sehen Sie ➱hier mehr) nicht wieder auf den Markt bringen.

Nein, die Franzosen kommen nicht über den Kanal nach England. Andersherum funktioniert das schon. Wenn den Engländern danach war, die Franzosen kennenzulernen, dann schickten sie Henry V oder den Major Marmaduke Thompson. Und war der König von England nicht auch der König von Frankreich? Erst 1801 hat man diesen Anspruch aufgegeben. Calais war Jahrhunderte lang in englischer Hand. Selbst, als die Franzosen es erobert hatten, war es immer noch ein wenig englisch. Hier wird man Hogarth festnehmen, der dann sein Bild The Gate of Calais or O, the Roast Beef of Old England malt. Hierher wird Beau Brummell vor seinen Gläubigern fliehen. Nein, Frankreich gehört eigentlich den Engländern. Hat nicht Rolls-Royce ein Modell namens Corniche im Programm? Ältere englische Damen sollen schon mal ihre Chauffeure angewiesen haben, mit dem Rolls in Südfrankreich stilecht auf der linken Straßenseite zu fahren.

John Jervis, der den wunderbaren Satz they will not come by sea geprägt hat, hat natürlich etwas mit der See und der Admiralität zu tun. Er ist der First Lord of the Admiralty. Für diese Position braucht man kein Admiral zu sein. Man könnte auch Buchhändler sein wie William Henry Smith. Dann wird man vom Punch karikiert und landet bei Gilbert und Sullivan in der komischen Oper H.M.S. Pinafore. Und darf die schöne ➱Arie I am the monarch of the sea, The ruler of the Queen's Navee, Whose praise Great Britain loudly chants singen. Falls Sie noch nie etwas von den Herren Gilbert und Sullivan gehört haben, dann sollten Sie ➱dies jetzt unbedingt anklicken. Nicht alle Amtsträger, ob sie Admiral waren oder nicht, haben etwas von diesem Amt verstanden.

Dieser Herr schon. Der war zwar nicht bei der Royal Navy, aber eine militärische Karriere hat er durchaus. Und er wird als First Lord die englische Marine modernisieren, wobei er auf den Sachverstand von Admiral John Fisher vertraut. Winston Churchill (dessen Mutter heute Geburtstag hat) ist ein Beweis dafür, dass auch ein Zivilist das Amt sachkundig ausfüllen kann. Was ein Jahrhundert vor ihm der Admiral John Jervis tut. Den hatte man gerade zum Viscount Saint Vincent ernannt, nach der Seeschlacht von St Vincent vier Jahre zuvor. Da war der John Jervis der Sieger gewesen. Und einer seiner Captains hatte in der Schlacht gegen alle Befehle verstoßen. John Jervis sah wohlwollend darüber hinweg. Der junge Captain wurde umgehend Ritter des Bath Ordens und Rear Admiral. Sein Name: ➱Horatio Nelson.

John Jervis ist wahrscheinlich einer der bedeutendsten Admirale der Royal Navy gewesen. Nicht wegen seiner Erfolge zu See. Die waren eher gering: St Vincent was not a great tactician. The battle of St Vincent, the only major battle in which he commanded, though temporarily deflecting a projected Franco-Spanish invasion, was not decisive and gained its fame largely through the nation's relief at the news of a victory during a gloomy period of the war. His importance lies in his being the organizer of victories; the creator of well-equipped, highly efficient fleets; and in training a school of officers as professional, energetic, and devoted to the service as himself. His mind was firm, clear, and decisive. Sagt P. K. Crimmin in seinem ➱Artikel im Oxford Dictionary of National Biography. John Jervis wurde heute vor 280 Jahren geboren, und das wäre sicher einen kleinen Post wert. Aber: es ist, wie es. Dieser ➱Post ist schon heute vor zwei Jahren geschrieben worden (und in dem Post ➱Admiral John Byng kommt Jervis auch schon vor).

Falls Sie noch mehr Admiräle brauchen: am  9. Januar 1860 ist Karl Rudolf Brommy in St. Magnus bei Bremen gestorben. Er war der erste deutsche Admiral der 1848 neu gegründeten Reichsflotte. Für den Marschendichter Hermann Allmers, der auch ein alter 48er Revolutionär war, ist Brommy ein zu Unrecht vergessener Held. Und so sorgt er nach Brommys Tod für ein Ehrenmal, auf dem seine Verse stehen:

Karl Rudolf Brommy ruht in diesem Grabe
Der ersten deutschen Flotte Admiral
Gedenkt des Wackren und gedenkt der Tage,
An schöner Hoffnung reich und bittrer Täuschung.

Er hat nicht nur ein kleines Ehrenmal an einem Weserdeich, er hat natürlich auch einen ➱Post in diesem Blog.