Dienstag, 24. März 2015

Kartätschenprinz


Hier reitet der Preußenprinz noch gemütlich mit dem Maler Franz Krüger an einem wolkigen Tag aus. Man nennt Franz Krüger auch den Pferde Krüger, weil er so schön Pferde malen kann. ➱Karl Gutzkow hat Krüger als den Hofmaler Professor Lüders in seinen Roman Die Ritter vom Geiste hineingeschrieben, als einen Künstler, den die niedrigste Servilität zum Parade- und Uniformmaler gestempelt hatte. Das ist nicht sehr nett. Lesen Sie das nicht, lesen Sie lieber den Post ➱Franz Krüger. An diesem Tag im Jahre 1836 ist die Welt in Preußen noch in Ordnung, zwölf Jahre später sind die Wolken dunkler geworden. Da ist der Prinz, den seit Vater mit neun Jahren zum Leutnant gemacht hatte, schon Generalmajor. Und er bekommt von den Berlinern auch einen neuen Namen, er heißt nur noch der Kartätschenprinz.

Sein Ruf war eh nicht der beste. Im Nachlass von ➱Varnhagen von Ense finden sich die Sätze: Man fragte, warum alle unsre Prinzen, die Brüder des Königs nämlich, so verhaßt seien? Die Antwort war: „Seit zwanzig Jahren hört man von keinem irgend einen schönen Zug, weder der Großmuth noch der Güte, oder geistiger Kraft, sondern nur schmutzige Geschichten, Liederlichkeit, Geldgier, nur von engherzigen Aeußerungen, Stolz und Grobheit, übermüthigem Benehmen; wo soll da die Liebe, wo das Ansehn herkommen?" Ich bringe nicht so furchtbar viel Begeisterung für die Preußen auf. Was wohl daran liegt, dass ich einige von den Kindern von Louis Ferdinand kennengelernt habe (ich habe das schon in den Posts ➱Geburtstag und ➱Plagiat gesagt). Und so sehr ich Fontane liebe, manchmal ist mir seine Verehrung der Preußen etwas zu viel. Ich kann da unbedingt die Lektüre des Buches Gegen-Wanderungen: Streifzüge durch die Landschaft Fontanes von Hubertus Fischer empfehlen

An seinem einundfünfzigsten Geburtstag am 22. März 1848 wird der Preußenprinz aus Berlin fliehen, er reist unter dem Decknamen Herr Lehmann in Begleitung des Kaufmanns Oelrichs nach London. Der Bremer August Friedrich (von) Oelrichs ist natürlich kein Kaufmann (wie der Rest seiner Bremer Familie), er ist Major im Stab des Regiments Garde du Corps. Er wird noch Generalleutnant werden und eines Tages seine Erinnerungen an das Jahr 1848 aufschreiben. Man kann sie unter dem Titel Ein Bremer „rettet“ den Kaiser: Die Flucht des Prinzen Wilhelm im Jahre 1848 aus Berlin immer noch kaufen.

Herr Lehmann wird in London nicht bei seiner königlichen Verwandtschaft wohnen, er quartiert sich im Hause des preußischen Gesandten Christian Karl Josias von Bunsen ein. Um es genauer zu sagen, er steht am 27. März morgens um acht Uhr unangemeldet vor der Tür der Nummer vier der Carlton House Terrace. Einige Familienmitglieder von Bunsen müssen zu Freunden ziehen, Preußenprinzen brauchen Raum (Sie können ➱hier die Erinnerungen von Bunsens Gattin, der walisischen Malerin Francis Waddington lesen). Dieser Bunsen ist ein erstaunlicher Mann gewesen, Diplomat und Gelehrter. Philologe, Ägyptologe und Theologe. Was wäre aus Florence Nightingale geworden, wenn Bunsen sie nicht in ihren Ideen bestärkt hätte?

Als Wilhelm in London residiert, singen die Berliner Spottlieder wie:

Komme doch, komme doch
Prinz von Preußen
komme doch, komme doch
nach Berlin
wir woll´n dir mit
Steine schmeißen
und das Fell
über die Ohren ziehn

Schlächtermeister,
Prinz von Preußen
Komme doch, komme doch
nach Berlin
Wir woll´n dir
mit Steine schmeißen
und auf die
Barrikaden ziehn

Während sein Bruder über Hamburg nach London flieht, wird der preußische König Friedrich Wilhelm IV die Toten des Barrikadenaufstands ehren. So oft nun ein neuer Zug Särge vorbeikam, trat der König barhaupt heraus und blieb stehen, bis die Särge vorüber waren. Sein Kopf leuchtete von ferne wie ein weißer Flecken. Es mag wohl der fürchterlichste Tag seines Lebens gewesen sein, schreibt der Maler Adolph Menzel (der natürlich auch einen ➱Post hat). Sein Bild Aufbahrung der Märzgefallenen hängt heute in der Hamburger Kunsthalle.

Bisher hab' ich wohl gewußt, dass Du ein Schwätzer bist, aber nicht, dass Du eine Memme bist! Dir kann man mit Ehren nicht mehr dienen, soll er seinem Bruder in der Nacht zum 19. März gesagt haben. Da prallen zwei unterschiedliche Naturen aufeinander. Der eine ein Kommisskopp, der andere ein Romantiker auf dem Königsthron, der für seine Schwester einmal den romantischen Roman Die Königin von Borneo geschrieben hat. Der Historiker Frank-Lothar Kroll hat das Fragment 1997 bei der Nicolaischen Verlagsbuchhandlung herausgegeben. Er sagt in seinem Nachwort: Insoweit erweist sich „Die Königin von Borneo“ als eine veritable Quelle zum Verständnis der komplexen Persönlichkeit des vielleicht merkwürdigsten Hohenzollernkönigs: eine kleine Facette nur, ein marginales Streiflicht – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Sie können unterschiedlicher nicht sein, die Söhne der Königin Luise. Sie hat ihren Sohn Carl als das schönste ihrer Kinder bezeichnet. Der General der Infanterie Carl von Preußen, ein Kunstfreund, der ➱Schinkel für sich bauen lässt, wird 1848 nicht auf seine Landsleute schießen lassen. Er bleibt in Berlin und stellt sein Palais für Bürgerversammlungen zur Verfügung. Der Romantiker Friedrich Wilhelm setzt sich durch, er schickt den Bruder, der gerade seinen Säbel aufs Parkett geschmissen hat, nach England, um dem befreundeten englischen Hof Aufschluß und Aufkärung  über die hiesigen Zustände und die hiesigen Ereignisse zu geben.

Und während sein Bruder sich den Bart abrasiert und Zivilkleider anlegt, schreibt Friedrich Wilhelm die ➱Proklamation An meine lieben Berliner, wo von einer Rotte von Bösewichtern, meist aus Fremden bestehend die Rede ist, die so die gräulichen Urheber von Blutvergießen geworden sind. Und natürlich haben seine Truppen, Eure Brüder und Landsleute, haben erst dann von der Waffe Gebrauch gemacht, als sie durch viele Schüsse aus der Königsstraße dazu gezwungen wurden. Am 21. März 1848 war der König mit einer schwarz-rot-goldenen Schärpe durch Berlin geritten, schrieb aber insgeheim seinem Bruder: Die Reichsfarben musste ich gestern freiwillig aufstecken, um Alles zu retten. Ist der Wurf gelungen […], so lege ich sie wieder ab!

Wir haben viele ➱Berichte von den Straßenkämpfen. Ich zitiere einmal einen Zeitzeugen, der ein berühmter Schriftsteller geworden ist: Draußen hatte sich das Bild rasch verändert. Die Straße wirkte wie gefegt, und nur an den Ecken war man mit Barrikadenbau beschäftigt, zu welchem Zweck alle herankommenden Wagen und Droschken angehalten und umgestülpt wurden. In meinem Gemüt aber wurden plötzlich allerhand Balladen – und Geschichtsreminiszenzen lebendig, darunter dunkle Vorstellungen von der ungeheuren Macht des Sturmläutens; alles Große, soviel stand mir mit einem Male fest, war durch Sturmläuten eingeleitet worden. Ich lief also, ohne mich lange zu besinnen, auf die nur fünfzig Schritt von uns entfernte Georgenkirche zu, um da mit Sturmläuten zu beginnen. Natürlich war die Kirche zu – protestantische Kirchen sind immer zu –, aber das steigerte nur meinen Eifer und ließ mich Umschau halten nach einem Etwas, womit ich wohl die stark mit Eisen beschlagene, trotzdem aber etwas altersschwach aussehende Tür einrennen könnte.

Richtig, da stand ein Holzpfahl, einer von jener Art, wie man sie damals noch auf allen alten und abgelegenen Kirchplätzen fand, um, nachdem man eine Leine von Pfahl zu Pfahl gespannt, Wäsche daran zu trocknen. Ich machte mich also an den Pfahl und nahm auch zu meiner Freude wahr, daß er schief stand und schon stark wackelte; trotzdem – wie manchmal ein Backzahn, den man, weil er wackelt, auch leicht unterschätzt – wollte der Pfahl nicht heraus, und nachdem ich mich ein paar Minuten lang wie wahnsinnig mit ihm abgequält und sozusagen mein bestes Pulver – denn ich kam nachher nicht mehr zu rechter Kraft – an ihm verschossen hatte, mußt' ich es aufgeben. Mit meinem Debüt als Sturmläuter war ich also gescheitert, soviel stand fest. Aber ach, es folgten noch viele weitere Scheiterungen. Der junge Berliner Apotheker wird kein Held der Revolution. Und bis er ein berühmter Schriftsteller wird, ist es auch noch einige Zeit hin. Aber dreißig Jahre später schreibt er seinen ersten ➱RomanVor dem Sturm.

Als Wilhelm im Sommer 1848 wieder von seiner Flucht ins Exil (die nachträglich zu einer diplomatischen Mission umgedeutet wurde) nach Berlin zurückkehrt, hatte ihm sein Bruder schon das Kommando über das Regiment Garde du Corps entzogen, aber ein Jahr später darf er in der Pfalz und in ➱Baden wieder auf Deutsche schießen. Und wieder singt man Lieder gegen ihn (gesungen nach der Melodie des Liedes Sie sollen ihn nicht haben den freien deutschen Rhein):

Wir wollen ihn nicht haben
Den Schild der Despotie
Der für der Freiheit Gaben
Nie fühlte Sympathie
Der nur die Frucht vom Fleiße
Des armen Volks genießt
Und dann als erster Preuße
Dasselbe niederschießt

Seinen Gegnern in Baden bleibt (wie vielen demokratischen Revolutionären) nur die Emigration. Viele gehen nach Amerika. Wie Friedrich Hecker, der ➱hier schon einen Post hat. Oder ➱Franz Sigel und ➱Carl Schurz. Oder der nach dem Dresdner Maiaufstand zum Tode verurteilte Uhrmacher Karl Fasoldt, der sich in der neuen Welt ➱Charles Fasoldt nennt und die schönsten Taschenuhren des 19. Jahrhunderts bauen wird. Es ist ein gewaltiger brain drain, den Deutschland beklagen sollte. Aber Deutschland klagt nicht. Weil wir von Männern in Uniform, die auf einem Pferd sitzen, begeistert sind.

Wilhelm wird deutscher Kaiser werden, dann heißt er nicht mehr Lehmann oder Kartätschenprinz, dann ist er Wilhelm der Erste. Bismarck wäre nichts ohne ihn, und er wäre nichts ohne Bismarck. Es ist eine deutsche Männerfreundschaft. Dieses Jahr scheint ein Bismarck Jahr zu sein, aber das wird bei mir wohl nicht gefeiert. Da müssen Sie schon mit dem Post ➱Heringe vorliebnehmen. Wenn Wilhelm ganz oben angekommen ist, dann singt man natürlich keine Spottlieder mehr, dann singt man (leicht umgedichtet) das Lied, das der Flensburger Pfarrer ➱Heinrich Harries einst auf einen Dänenkönig geschrieben hat:

Heil dir im Siegerkranz,
Herrscher des Vaterlands!
Heil, Kaiser, dir!
Fühl in des Thrones Glanz
die hohe Wonne ganz,
Liebling des Volks zu sein!
Heil Kaiser, dir!

Und überall in Deutschland wird man Denkmäler für ihn bauen, mehr als tausend. Meistens sitzt er zu Pferd. Die Märzgefallenen bekommen keine Denkmäler, die haben einen Friedhof.

Lesen Sie auch den Post ➱Kaiser Wilhelm I bei MartininBroda

Einquartierung


Das ist Margaret Kemble Gage, die Gattin des englischen Generals Thomas Gage, gemalt von ➱John Singleton Copley. Er hat auch ihren Ehemann gemalt. Der an dem Quartering Act Schuld ist, der heute vor 250 Jahren vom englischen Parlament beschlossen wurde. Das englische Parlament ist fleißig in jenen Tagen, zwei Tage zuvor hat man den Stamp Act beschlossen. Wenn man so will, ist das der Anfang vom Ende der englischen Herrschaft in Amerika. Der Quartering Act wird Folgen haben, bis zum heutigen Tag. Thomas Gage, der der Oberkommandierende der englischen Truppen in Amerika ist, wollte gerne erreichen, dass seine Truppen von den Amerikanern untergebracht und beköstigt werden. Das ist natürlich auch der Wunsch der Engländer. Warum sollen die Kolonien nicht dafür bezahlen, dass man sie beschützt?

Im French and Indian War - in dem ➱George Washington der Waffenbruder von Thomas Gage war - hat man das in den Kolonien ja noch eingesehen. Aber jetzt, wo Franzosen und Indianer besiegt sind, warum die Engländer durchfüttern? Thomas Gage ist eine tragische Figur. Er war auf einer berühmten Schule, er kann sich benehmen. Und er teilt nicht die Laster der englischen Offiziere, die da Trunk- und Spielsucht heißen. Da ist er ganz anders als der General ➱Charles Lee, der ihm einmal schrieb: I respected your understanding, lik'd your manners and perfectly ador'd the qualities of your heart. Mit einundzwanzig ist Gage Leutnant (war ich auch), und er ist mit der englischen Armee dort, wo man ihn braucht: in Flandern und in Culloden (zu der Schlacht gibt es ➱hier einen Post). Und ab 1755 für zwanzig Jahre in Amerika.

Wo er in dem völlig missglückten Feldzug des Generals Edward Braddock eben diesen jungen Mann aus Virginia kennenlernen wird. Nach dem Frieden von Paris 1763 möchte Gage nach England zurück, er sagt seinem Vorgesetzen Lord Amherst, er sei very much [tired] of this cursed Climate, and I must be bribed very high to stay here any longer. Wenig später, im Oktober 1763, wird er Amhersts Stellvertreter, als der nach England zurückgerufen wird. Lord Amherst wird nicht nach Amerika zurückkehren.

Als der Quartering Act verkündet wird, sieht Gage die politische Lage in den Kolonien ganz klar, vielleicht klarer als andere: It is to be feared in general, that the spirit of democracy is strong amongst them. The question is not of the inexpediency of the Stamp Act, or of the inability of the Colonys to pay the tax; but that it is unconstitutional and contrary to their rights Supporting the Independency of the province and not subject to the Legislative Power of Great Britain. Washington und Gage respektieren sich, es hätte eine Freundschaft daraus werden können. Aber wenn Gage zwanzig Jahre nach dem Quartering Act einen Brief an Washington mit I am, Sir, your most obedient humble servant beendet, dann meint er das nicht so. Da stehen sich die beiden als Feinde gegenüber, und Washington trägt nicht mehr die englische Uniform.

Thomas Gage mag die Amerikaner, schließlich hat er ja auch eine Frau aus den Kolonien geheiratet (hier ist Margaret Kemble auf einem Bild von David Martin aus dem Jahre 1775 zu sehen). Die kommt aus dem einflussreichen New Yorker Clan der Schuylers, ist aber auch mit den Van Cortlandts, Bayards, Van Rensselaers und deLanceys verwandt. Das ist sozusagen der amerikanische Uradel. Es heißt über sie: she was known as a belle in social circles throughout the middle colonies, die Offiziere des Generals werden sie the Duchess nennen. Thomas Gage kommt auch aus einer alten ➱Adelsfamilie, er selbst wird aber keinen Adelstitel tragen. Abgesehen davon, dass er natürlich The Honourable Thomas Gage ist, das steht dem Sohn eines Viscounts zu.

Gages Gattin hat große Sympathien für den Freiheitskampf, Gage verdächtigt sie, militärische Geheimnisse an die Revolutionäre zu verraten. Er schickt sie im Sommer 1775 nach England zurück. Sie segelt mit einem ➱Schiff, das Charming Nancy heißt und das voller Witwen und verwundeten englischen Soldaten ist. Ob sie wirklich daran Schuld ist, dass eines Tages ➱Paul Revere durch die Nacht reitet und The British are coming! ruft, das ist nie erwiesen worden. Die Historiker streiten immer noch darüber. Verschwörungstheorien sind immer eine schöne Sache. Einem Freund vertraute sie an: she hoped her husband would never be the instrument of sacrificing the lives of her countrymen. Und einer Freundin sagte sie, sie fühle sich wie Blanche in Shakespeares King John:

The sun's o'ercast with blood: fair day, adieu!
Which is the side that I must go withal?
I am with both: each army hath a hand;
And in their rage, I having hold of both,
They swirl asunder and dismember me.
Husband, I cannot pray that thou mayst win;
Uncle, I needs must pray that thou mayst lose;
Father, I may not wish the fortune thine;
Grandam, I will not wish thy fortunes thrive:
Whoever wins, on that side shall I lose
Assured loss before the match be play'd.

Es ist eine ungewöhnliche ➱Pose, in der John Singleton Copley Margaret Kemble gemalt hat. Er hatte gerade sein Studio in New York bezogen, in einem Haus in Broadway, on the west side, in a house which was burned in the great conflagration on the night the British army entered the city as enemies. Er wusste, dass dieses Bild Furore machen könnte. Er wollte Margaret Kemble zuerst so malen, wie Sir Godfrey Kneller ➱Lady Montagu gemalt hatte, weil er von dem Bild einen Stich besaß, gab diesen Plan aber glücklicherweise auf. Copley wird seinem Stiefbruder ➱Henry Pelham schreiben, dass der Maler ➱Matthew Pratt über das Bild sagte: It will be flesh and Blood these 200 years to come, that every Part and line in it is Butifull, that I must get my ideas from Heaven, that he cannot paint it.

Nach der Schlacht von Bunker Hill (die ➱hier einen Post hat) ist Thomas Gage dann auch wieder zu Hause. Denn wenn ein Oberkommandierender der englischen Regierung vorschlägt, dass sie die Intolerable Acts zurücknehmen soll, dann hört man das in London nicht so gerne. Denn alle diese Maßnahmen, die sich hauptsächlich gegen die Einwohner von Massachusetts richten (wo Gage auch noch Gouverneur ist), spülen ja kein Geld in Englands Kassen. Die Kolonien sind sehr erfinderisch darin, Englands Anordnungen nicht zu befolgen.

London sucht schon länger nach einem Nachfolger für Gage, der bei einem Urlaub in England (durch den er die Boston Tea Party verpasste) den König zu überreden versuchte, mehr Truppen zu schicken. Nach der Unterredung schreibt der König seinem Premier Lord North: ... his language was very consonant to his Character of an honest determined Man; he says they will be Lyons, whilst we are Lambs but if we take the resolute part they will undoubtedly prove very meek. Schon vor seinem Aufenthalt in England hatte er der Regierung empfohlen:

If a determined resolution is taken to enforce at all events a due submission to that dependence on the parent state, to which all Colonies have been subjected, you can not act with too much vigor. Quash this spirit at a blow, without too much regard to the expense, and it will prove economy in the end. Doch den the spirit of democracy... amongst them kann man nicht unterdrückenEngland wartet zu lange, bis es Truppen nach Amerika schickt. Dann kommen gleich drei englische Generalmajore: William Howe, Gentleman Johnny Burgoyne und ➱Henry Clinton. ➱Burgoyne (hier von ➱Joshua Reynolds gemalt) findet dafür die großsprecherische Bezeichnung: triumvirate of reputation, aber die Londoner Presse verhöhnt die Herren in Rot:

Behold the Cerberus the Atlantic plough,
Her precious cargo, Burgoyne, Clinton, Howe.
Bow, wow, wow!

Burgoyne, mehr ein Mann der Feder (und des Champagners) als des Schwertes - er wird noch als Theaterautor berühmt - verfasst als erstes eine Proklamation: Whereas the infatuated multitudes, who have long suffered themselves to be conduced by certain well known Incendiaries and Traitors in a fatal progression of crimes against the constitutional authority of the state, have at length proceeded to avowed rebellion; and the good effects which were expected to arise from the patience and leniency of the King’s government, have been frustrated, and are now rendered hopeless, by the influence of evil counsels; it only remains for those who are entrusted with supreme rule, as well for the punishment of the guilty, as the protection of the well affected, to prove they do not bear the sword in vain. Wenn ➱Horace Walpole ihn als Pomposo und Hurlothrumbo bezeichnet, dann wissen wir nach dieser Stilprobe weshalb. Walpole hat ein wunderbares Schludermaul. Wenn er Burgoyne, über den er sagt but he was a vain, very ambitious man, with a half-understanding that was worse than none einen Namen wie Julius Caesar Burgonius oder General Swagger gibt, dann spricht sich das herum.

Die ➱Proklamation, über die man in Amerika (und in England!) lacht, endet mit: I avail myself of the last effort within the bounds of my duty, to spare the effusion [of blood]; to offer, and I do hereby in his Majesty’s name, offer and promise, his most gracious pardon to all persons who shall forthwith lay down their arms, and return to the duties of peaceable subjects, excepting only from the benefit of such pardon, Samuel Adams and John Hancock, whose offenses are of too flagitious a nature to admit of any other consideration than that of condign punishment. Jeder wusste, dass Burgoyne das geschrieben hatte, es war nur etwas blöd von Thomas Gage, seinen Namen darunter zu setzten. Denn als Gouverneur von Massachusetts kannte er die Charter of Massachusetts, auf die Samuel Adams auf Copleys Bild hinweist. Die Krone hat den Kolonien einmal Rechte zugestanden, die sie jetzt verletzt.

Die drei neuen Generäle können sich nicht ausstehen, von ihrer reputation wird wenig übrig bleiben. Der Ehrenmann Gage, der nach seinen eigenen Worten zu einer mere military cipher geworden ist, segelt nach Hause. Und lässt sich (wie seine Gattin) von David Martin malen. Die beiden Portraits täuschen eine Gemeinsamkeit vor, die nicht mehr vorhanden ist. Die Ehe ist jetzt zerrüttet. Ich glaube, sie lässt ihn nicht wieder ins Bett. Sie hat ihm elf Kinder geboren, der älteste Sohn wird den Titel eines Viscounts Gage tragen. Gage wird noch vom Generalleutnant zum General befördert werden, aber an keinem Feldzug mehr teilnehmen. Margaret Kemble Gage, die neunzig Jahre alt wird, wird ihren Ehemann um sechsunddreißig Jahre überleben.

Mit der amerikanischen Revolution ist der Quartering Act zur Makulatur geworden. Jefferson hatte ihn in der ➱Declaration of Independence in der Liste der Klagen gegen den König erwähnt: He has combined with people others to subject us to a jurisdiction foreign to our constitution, and unacknowledged by our laws; giving his Assent to their Acts of pretended Legislation: For quartering large bodies of armed troops among us). Damit man so etwas nie wieder hat, schreibt man ihn als drittes amendment in die Verfassung: No Soldier shall, in time of peace be quartered in any house, without the consent of the Owner, nor in time of war, but in a manner to be prescribed by law. Es ist der Zusatzartikel, der von all den zehn Artikeln, die am 21. September 1789 verabschiedet wurden, die wenigsten juristischen Probleme bereitet hat.

Ganz im Gegensatz zu dem vorangehenden Zusatzartikel. Der im ersten Entwurf so lautet: A well regulated militia, composed of the body of the people, being the best security of a free state, the right of the people to keep and bear arms shall not be infringed; but no one religiously scrupulous of bearing arms shall be compelled to render military service in person. Es geht also um die Rechte der Miliz, Amerika hat im Gegensatz zu England kein stehendes Heer. Sie könnten jetzt den Post ➱Schnellfeuergewehre lesen, da steht noch mehr zu diesem Zusatzartikel der Verfassung. Das neueste Buch zu unseren englischen Generälen in Amerika ist Andrew Jackson O'Shaughnessys The Men Who Lost America: British Leadership, the American Revolution, and the Fate of the Empire, sehr empfehlenswert. Was allerdings der Ausschnitt von Copleys The Defeat of the Floating Batteries at Gibraltar, September 1782 auf dem Buch soll, das weiß ich nicht. Wenn Sie alles über Copleys Bild wissen wollen, dann lesen Sie den Post ➱Hoya.