Sonntag, 6. Juli 2014

Deutsche Helden


Hubert Dilger wurde im Jahre 1836 geboren. Er besuchte die Militärakademie in Karlsruhe und war danach Leutnant in der badischen berittenen Artillerie. Bei Ausbruch des amerikanischen Bürgerkrieges suchte er um Urlaub nach, der ihm gewährt wurde, und fuhr nach Amerika. Er wurde Captain in der Division von Carl Schurz. Er war als Artillerist ein fähiger Mann, in der Theorie der Artillerie belesen, auf der Höhe seiner Zeit und darüber hinaus. Er hielt nichts von großkalibrigen Kanonen, er ließ sich kleinere Kanonen auf leicht bewegliche Lafetten montieren, um damit schnell manövrieren zu können. Seine Intelligenz und sein Mut wird in der für den Norden verhängnisvollen Schlacht von Chancellorsville die Rettung für die ganze Division von Carl Schurz bedeuten.

Er glaubt vor der Schlacht nicht an die offizielle Lagebeurteilung. Und mit dieser Ahnung hat er Recht, General Robert E. Lee hat seine Armee längst geteilt und bereitet einen Zangenangriff vor. Hubert Dilger bittet seinen Colonel Leopold von Gilsa darum, selbst die Front inspizieren zu dürfen. Von Gilsa versieht ihn mit allen Warnungen zur Vorsicht und zahlreichen Flüchen. Darin ist der ehemalige preußische Offizier, der sich in Amerika seinen Lebensunterhalt als Pianist und Klavierlehrer verdient hatte, sehr gut. Nach der verlorenen Schlacht wird er General Howard, der nicht auf Gilsas Warnungen gehört hatte, minutenlang mit all dem beschimpfen, was die deutsche Sprache an Beleidigungen hergibt. Dilger reitet nach Westen, wo er den Feind vermutet und ist wenig später in der Frontlinie der Konförderierten.

Er reitet um die ganze Südstaatenarmee herum. Er ist ein guter Reiter, und er liebt Pferde. Er trägt immer Reithosen aus weichem Leder, was ihm den Spitznamen leatherbreeches einträgt. Er ist jetzt der einzige in der Armee des Nordens, der weiß, wo Lees Divisionen wirklich sind. Er galoppiert zu dem Oberkommandierenden General Hooker (der nicht mehr lange Oberkommandierender bleiben wird), aber man nimmt ihn nicht ernst. Ein arroganter Kavalleriemajor, der schon aus Snobismus nichts mit Artilleristen zu tun haben will, geschweige denn solchen mit einem deutschen Akzent, fertigt in eiskalt ab. Dilger gibt noch nicht auf. Er reitet zum Hauptquartier seines Korpskommandeurs, General Howard, aber auch da mag man badische Hauptleute, die auf eigene Faust rekognoszieren, nicht so gerne. Der Herr Hauptmann müsse da etwas falsch verstanden haben. Howard ist der Nachfolger des deutschen Generals Franz Sigel, er versteht diese Deutschen, die er jetzt kommandiert, überhaupt nicht. Immerhin ist Carl Schurz (der noch Innenminister werden wird) so intelligent, seine Division darauf einzurichten, dass der Feind vielleicht doch nicht aus dem Osten angreift.

Rechtzeitig zur Zeit des Abendessens wird der Südstaatengeneral "Stonewall" Jackson aus dem undurchdringlichen Wald, der Wilderness heisst, über die Deutschen hereinbrechen. Was folgt ist eine Massenflucht, die den Deutschen den Ruf einbringt, bei der ersten Gelegenheit zu türmen ( die Zeitungen des Nordens werden für die nächsten Wochen nur ein Thema haben und das heißt Deutschenhass). Aber Hubert Dilger wird mit seiner kleinen beweglichen Batterie die 28.000 Südstaatler solange aufhalten, bis der größte Teil der Nordstaatenarmee entkommen ist. In dieser Schlacht verwundet wird Dilgers berühmtester badischer Landsmann Friedrich Hecker. Das ist der Mann, der die badische Revolution angeführt hat und der im Badischen noch heute ein Mythos ist. Sogar das Heckerlied ist unvergessen, mit dem schönen Refrain:

Wenn die Leute fragen,
Lebt der Hecker noch?
Sollt ihr ihnen sagen:
Ja, er lebet noch.
Er hängt an keinem Baume,
Er hängt an keinem Strick,
Er hängt an seinem Traume
Der deutschen Republik.

Captain Hubert Dilger wird sich wenig später in der Schlacht von Gettysburg (wenn die Deutschen sich wieder zurückziehen müssen und durch die Strassen von Gettysburg gejagt werden, der deutsche General Alexander Schimmelpfennig muss sich sogar tagelang in einem Schweinestall verstecken) ebenso auszeichnen wie bei Chancellorsville. Bei Gettysburg ist Hecker nicht dabei, sein Schwiegersohn Dr. Henry Tiedemann hat ihn mit seiner Kugel im Bein krankgeschrieben. Der amerikanische Kongress wird Hubert Dilger später die höchste militärische Auszeichnung, die Medal of Honor, verleihen. Man hätte ihn zum General machen sollen. Nach dem Krieg wird Dilger eine erfolgreiche Pferdezucht im Shenandoah Valley betreiben. Der Colonel Friedrich Hecker kehrt auf seine Farm in Illinois zurück, er hatte immer gehofft, noch General zu werden wie sein Freund Franz Sigel. Aber ständig querulatorisch im Streit mit seinen Offizieren, das sieht man in der Army nicht so gerne. Ein echter badischer Revolutionär taugt eben nicht so recht zum Militär.

In dem Roman The Wars von Timothy Findley (verfilmt mit dem Soundtrack von Glenn Gould) versucht ein junger kanadischer Offizier im Ersten Weltkrieg, die ihm anvertrauten Armeepferde vor der Vernichtung zu retten. Hubert Dilgers Sohn, aufgewachsen mit den Pferden des väterlichen Gestüts, wird das Gegenteil tun. Anton Dilger, in Amerika geboren, wird das Land hassen, für das sein Vater gekämpft hat. Er studiert in Deutschland Medizin, promoviert in Heidelberg, und wird im Ersten Weltkrieg versuchen, mit einem geheimen biologischen Sabotageprogramm die USA zu unterminieren. Er will die Armeepferde mit Anthrax inokulieren, all the pretty horses. Wenn der Vater ein Kriegsheld zu Pferde war und man auf einer Farm mit vielen Pferden aufgewachsen ist, dann ist dieser Plan wohl ein symbolischer Vatermord. Anton Dilger schmuggelt Anthrax Kulturen aus Deutschland in die USA. Das Bureau of Investigation kommt ihm auf die Schliche, er flieht nach Mexiko, dann nach Spanien. Dort wird er 1918 ein Opfer der grassierenden Spanischen Grippe. Für irgendetwas sind Viren doch gut.

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